26.06.2018

Den Nutzer verführen – Vielfaltssicherung bei Telemedien!

Allgemeine Medienthemen

30 PM Studienkreis2

Algorithmengesteuerte Empfehlungssysteme bestimmen heutzutage unser Kommunikationsverhalten. Als Telemedien leiten sie unsere Aufmerksamkeit und nehmen Einfluss auf unsere Meinungsbildung. Aufgrund der Demokratierelevanz der Meinungsbildung stehen sie mittlerweile im Fokus der Diskussionen um die neuen Medien.

Experten aus Wissenschaft, Praxis und Politik diskutierten auf Einladung von Studienkreis für Presserecht und Pressefreiheit sowie Thüringer Landesmedienanstalt (TLM) am 22. und 23. Juni 2018 bei der 123. Studienkreistagung in Erfurt unter dem Titel „Vielfaltssicherung bei Telemedien“, welche rechtlichen Rahmenbedingungen geeignet sind, die Meinungsvielfalt im aktuellen Kommunikations- und Mediensystem zu sichern. Insbesondere wurde diskutiert, ob die aktuellen Überlegungen der Länder zum Medienrecht hierzu dienen.

Dem Gesetzgeber stehen zunächst die Werberegulierung, die Infrastrukturregulierung sowie die Regulierung von medienrechtlichen Standards zur Verfügung. Vor diesem Hintergrund wurde diskutiert, ob es weiterhin einer sektorspezifischen Medienregulierung bedürfe. Prof. Dr. Matthias Cornils, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz sprach sich für einen marktorientierten Ansatz aus und erläuterte, „dass der Gesetzgeber nur in sehr engen Grenzen künftige Entwicklungen regulieren darf und auch aktuelle Medienentwicklungen aufgrund ihrer Komplexität nur schwer reguliert werden können, da Grundrechtseingriffe einer validen Informationslage bedürfen.“ Dagegen plädierte Prof. Dr. Bernd Holznagel, LL.M., Westfälische Wilhelms-Universität Münster, für eine sektorspezifische Medienregulierung und mahnte, „dass einmal eingetretene Schieflagen in der Medienordnung nicht mehr wieder behoben werden können.“

Konrad Lischka, Bertelsmann-Stiftung, sah in der algorithmischen Sortierung den Schwerpunkt aktueller Kommunikationssteuerung und erläuterte, dass die Empfehlungssysteme auch deshalb so erfolgreich sind, weil sie den Nutzer dazu bewegen, zu „handeln ohne zu denken, also sie zu intuitivem Verhalten bewegen“. „Zudem“, so Lischka, „sind neben den Intermediären und Plattformen neue Medienanbieter zum Mediensystem hinzugetreten, die die modernen Möglichkeiten des Internets sehr stark zur Meinungsbildung nutzen, ohne dass sie bisher im Fokus der Regulierung stehen würden.“ Letztlich forderte er die Landesmedienanstalten auf, mehr zu den Wirkweisen und den Beeinflussungsmöglichkeiten moderner Medien zu forschen. Insbesondere sollte ähnlich der Werbeforschung aufbereitet werden, in welchem Maße Aufmerksamkeit in sozialen Netzwerken gekauft wird.

Abschließend wies TLM-Direktor Jochen Fasco auf die Notwendigkeit staatsferner Medienregulierung und die aktuelle Positionierung der Landesmedienanstalten hin: „Die staatsfern organisierten Landesmedienanstalten“ so Fasco, „haben die aktuellen Entwicklungen der Mediengesellschaft bereits seit längerem im Blick. Sie sprechen sich für eine moderne Regulierung, zum Beispiel durch Anpassung der Zulassungsbedürftigkeit von Medienangeboten und einer stärkeren Kontrolle der Gatekeeper aus.“

Abgerundet wurde die zweitägige Veranstaltung durch einen Empfang auf Einladung des Ministerpräsidenten des Freistaats Thüringen, Bodo Ramelow, in dessen Rahmen der Chef der Staatskanzlei und Thüringer Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten, Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff, insbesondere das länderübergreifende Engagement in der Mediengesetzgebung würdigte.

Hinweise:

Der Studienkreis für Presserecht und Pressefreiheit fördert als gemeinnütziger Verein seit seiner Gründung 1956 die Medienrechtswissenschaft. Hierzu veranstaltet er jährlich zwei wissenschaftliche Tagungen, bei denen regelmäßig grundlegende Fragen des Medienrechts und der Medienfreiheit sowie Themen, die sich aus aktuellen Entwicklungen oder gesetzgeberischen Aktivitäten ergeben, beleuchtet werden. In Thüringen tagte der Studienkreis zuletzt 1995.

Mitglieder des Studienkreises sind Personen mit einem besonderen Interesse an der Medienrechtswissenschaft, insbesondere Verleger, Intendanten, Leiter sonstiger Medienunternehmen, Hochschullehrer, Richter, Rechtsanwälte und Justitiare.

Anlagen:

Foto 1 (TLM): Prof. Dr. Matthias Cornils

Foto 2 (TLM) v. l.: Konrad Lischka, Prof. Dr. Bernd Holznagel, Prof. Dr. Matthias Cornils, Jochen Fasco