Dr. Eva Flecken (JPG/Copyright Sebastian Semmer)
Lokaljournalismus im digitalen Wandel
Ergebnisse Lokaljournalismus-Kongress 2025 am 11. September 2025 in Berlin
Zum Lokaljournalismus-Kongress 2025 der Landesmedienanstalten von Berlin-Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen kamen ca. 150 Interessierte aus Journalismus, Politik, Wissenschaft und Medienregulierung. Unter dem Motto „Lokaljournalismus zwischen Social Media und Streaming-Plattformen“ wurde in der Berliner Vertretung des Freistaats Thüringen über die Zukunft lokaler Medienangebote, politische Rahmenbedingungen, wirtschaftliche Herausforderungen ebenso wie über Innovationen, KI und den gesellschaftspolitischen Einfluss der Digitalgiganten auf unsere (mediale) Öffentlichkeit diskutiert.
Die Tagung wurde von Stephan König, Staatssekretär für Medien und Europa und Bevollmächtigter des Freistaats Thüringen beim Bund und Jochen Fasco, Direktor der Thüringer Landesmedienanstalt (TLM) eröffnet: „Lokale Medien sind ein unverzichtbarer Stützpfeiler unserer Demokratie – sie stärken das Heimatgefühl vor Ort und sorgen für seriöse Informationen auch jenseits der Großstädte“, erklärte Staatsekretär König. „Der Kongress zeigt, Lokaljournalismus ist am Puls der Zeit: Die Herausforderungen durch Social Media und Streaming-Plattformen betreffen uns alle. Das bedeutet, dass wir den negativen Begleiterscheinungen einer digitalen Gesellschaft gemeinsam begegnen müssen. Besonders wichtig ist es daher, seriöse Alternativen ins Rampenlicht zu stellen: Starke, lokale Medien, die Orientierung geben, Vertrauen schaffen und auch im Digitalen sichtbar sind. Mit dem ‚Aktionsplan Lokale Vielfalt‘ stärken wir deshalb unsere Medienlandschaft ganz konkret. Das aktuelle Gutachten der TLM belegt: Die bestehende Thüringer Förderung lokaler und regionaler Medien wirkt nachhaltig.“ König betonte abschließend: „Nur im Zusammenspiel von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft können wir gemeinsam zukunftsfähige Lösungen für unsere demokratische Medienlandschaft schaffen.“
„Wir leben in einer Zeit, in der Nachrichten jederzeit und überall verfügbar sind. Doch bei all der globalen Informationsflut dürfen wir nicht vergessen: Demokratie beginnt vor Ort. Wo Lokaljournalismus fehlt, wächst die Gefahr von Intransparenz, von Gleichgültigkeit, von Demokratieverdrossenheit.“ machte TLM-Direktor Fasco für die mitveranstaltenden ostdeutschen Landesmedienanstalten das Anliegen des Kongresses deutlich.
Im ersten Themenkomplex „Zwischen politischen Rahmenbedingungen, wirtschaftlichen Herausforderungen und einer sich verändernden Medienwelt“ stellte Prof. Dr. Lutz Hagen, TU Dresden das Forschungsgutachten „Angebot, Vielfalt und Perspektiven lokaler und regionaler Medien in Thüringen“ vor. „Die Thüringer Bevölkerung interessiert sich mehrheitlich stark für Information zu lokalen Themen. Allerdings nutzt sie dafür zunehmend auch Kanäle mit eingeschränkter journalistischer Qualität.“, so Prof. Hagen.
Christoph Rüth (Konzerngeschäftsführer der FUNKE Mediengruppe) erläuterte, wie sich sein Unternehmen im digitalen Transformationsprozess neu aufstellt und welche Perspektiven er für modernen Lokaljournalismus sieht: „Guter Lokaljournalismus hat Zukunft, wenn wir ihn dorthin bringen, wo die Menschen sind.“
In der von Vera Linß moderierten Diskussionsrunde beschäftigten sich Prof. Dr. Lutz Hagen, Stephan König, Bärbel Romanowski-Sühl, Medienrätin der mabb und Christoph Rüth mit dem Thema „Wie organisieren wir zukünftig den gesellschaftlichen Diskurs in der Region?“ Geschäftsmodelle funktionieren nicht mehr, die Tech-Konzerne werden immer mächtiger und das Mediennutzungsverhalten verändert sich rasant. Was braucht es da, um die Vielfalt auch in der lokalen Berichterstattung zu erhalten. Es wurde u. a. über nachhaltige staatliche Förderprogramme, bessere Regulierung und Medienmündigkeit diskutiert.
Für Bert Lingnau, Direktor der Medienanstalt von Mecklenburg-Vorpommern (MMV), sind lokale Medien „ein essenzieller Bestandteil unserer demokratischen Gesellschaft. Zugleich stehen sie – wie auch bei diesem Kongress deutlich wurde – zunehmend unter Druck. Globale Tech-Konzerne wie Google und Meta fungieren als reichweitenstarke Nachrichten-Aggregatoren und nutzen fremde journalistische Inhalte, ohne deren Erstellung angemessen zu vergüten. Stattdessen behalten sie einen Großteil der Werbeeinnahmen für sich. Gleichzeitig kämpfen lokaljournalistische Angebote ums Überleben. Damit lokale Medien eine Zukunft haben, muss die Politik umgehend handeln und faire, rechtliche Rahmenbedingungen schaffen.
Der Direktor der Medienanstalt Sachsen-Anhalt, Martin Heine, ergänzt „Private lokale Medien sind unterstützungswürdig! Sie berichten vor Ort, wo das Leben gelebt wird. Das interessiert, wird nachgefragt und leistet einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen Meinungsbildung.“
Im zweiten Teil der Konferenz „Innovation, Netzwerk und Best Practice“ referierte Dr. Britta Gossel (Hochschule Eberswalde) darüber, wie Zukunftstechnologien wie KI den Medienwandel vorantreiben. Welche Konsequenzen das für (lokale) Medien haben wird und mit welchen Kompetenzen Medienschaffende diese Transformation voran bringen könn(t)en. Jonathan Sachse, CORRECTIV.Lokal, stellte das nationale Netzwerk für kollektive Recherche vor und bewies eindrücklich, dass sich Vernetzung und Zusammenarbeit lohnen. Außerdem wurden Best Practice-Beispiele aus dem Bereich Lokalfernsehen präsentiert. Der Sender lausitz.tv präsentierte mit „realcottbus“ und „realspn“ Beispiele wie lokale Themen für eine junge Zielgruppe auf TikTok gebracht werden. Vorgestellt wurden auch Strategien für Lokal-TV in Sachsen-Anhalt, GüstrowTV – Mehr als Fernsehen und das Projekt „Sieben Sender. Ein Netzwerk – Vermarktungsplattform Thüringer Lokal-TV-Veranstalter“.
Dr. Eva Flecken, Direktorin der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb), gab gegen Ende der Veranstaltung einen Ausblick auf die Zeit bis zum nächsten Lokaljournalismus-Kongress:
„In den kommenden zwölf Monaten werden sich die Branche und die Medienanstalten mit entscheidenden Themen befassen: Wie positioniert sich der Journalismus gegenüber KI-Diensten großer Plattformen? Ich bin mir sicher: KI braucht die Recherchen der Medienschaffenden von vor Ort, das ist die große Stärke des Lokaljournalismus.“
Hinweise:
Der Lokaljournalismus-Kongress 2025 wurde von der mabb, der Medienanstalt Sachsen-Anhalt, der MMV sowie der TLM organisiert. Die Tagung wurde vom Thüringer Medienbildungszentrum der TLM in Gera (TMBZ Gera) aufgezeichnet. Ab dem 17. September 2025 wird der Mitschnitt im Programm des Lernsenders „labor14“ des TMBZ auf den Kanälen 156 (SD) und 188 (HD) im Vodafone Kabelnetz in Erfurt, Eisenach, Gera, Gotha, Jena, Meiningen, Neuhaus, Nordhausen, Rudolstadt, Saalfeld, Sonneberg, Suhl und Weimar ausgestrahlt und in der Mediathek der TLM auch online abrufbar sein.
Fotoimpressionen der Veranstaltung (Fotos: Sebastian Semmer)